Fünf Fotos der von mir vertretenen Geschädigten wurden von einem Verwandten heimlich auf einer Internetseite mit pornografischen Inhalten veröffentlicht. Die Bilder stammten von der Facebook-Seite der Klägerin.
Das LG Schweinfurt (Urteil vom 16.01.2018, Az: 11 O 65/17) sprach ihr hierfür eine Geldentschädigung in Höhe von € 8.000,00 sowie den Ersatz von vorgerichtlichen Anwaltskosten zu.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Der Täter wurde daneben im Strafverfahren auch zu einer Geldstrafe verurteilt.
Nach einem vermuteten Fehler nach einer ärztlichen Behandlung stellt sich für den Patienten zunächst die Frage, welche Maßnahmen er zuerst unternehmen soll.
Da Patienten nach der geltenden Rechtslage grundsätzlich (es gibt seltene Ausnahmen) die volle Beweispflicht für einen Behandlungsfehler trifft, sollten frühzeitig alle Informationen gesammelt werden. Diese Auseinandersetzungen dauern oft Jahre und in diese Zeit können Informationen unwiederbringlich verloren gehen.
Den ersten Schritt stellt die Einsichtnahme in die Behandlungsdokumentation des Arztes oder Krankenhauses dar. Der Patient hat ein grunsätzlich uneingeschränktes Recht nicht nur auf Einsichtnahme, sondern auch auf Zuverfügungstellung von Kopien der Behandlungsunterlagen gemäß § 630g BGB. Die Behandlungsunterlagen bestehen nicht nur aus der schriftlichen, heute meistens elektronischen Patentienkartei, den Untersuchungsberichten, wie z.B. Laborauswertungen, Bildmaterial (Röntgenbilder, OPG, DVT CT, MRT, etc.), Arztbriefen, Befundberichten aber auch Dokumentationen über Aufklärung, Kostenvereinbarungen, Rechnungen etc. Der wirksamen Aufklärung kommt schon seit Jahren eine immer größere Bedeutung zu, daher sind diese Unterlagen sehr wichtig.
Gesetzlich Versicherte sollten sich auch frühzeitig an ihre Krankenkasse wenden und um Übersendung einer Aufstellung der dort erfassten abgerechneten Leistungen bitten. Nicht selten lassen sich hier Diskrepanzen zu der Patientenkartei nachweisen.
Liegen die Informationen vor, wird der Patient aber meistens nicht über die erforderliche Sachkunde verfügen, um eine richtige und umfassende Auswertung der Behandlungsdokumentation vornehmen zu können.
Daher sollte als nächster Schritt eine sachkundige Bewertung des Falles erfolgen. Hierfür stehen mehrere Möglichkeiten zur Verfügung:
- Beantragung eines Gutachtens bei dem Krankenversicherer / MDK
- Einleitung eines Verfahrens bei der örtlich zuständigen Schlichtungsstelle
- Einholung eines Privatgutachtens
- Einleitung eines gerichtlichen Beweisverfahrens.
Jede dieser Vorgehensweisen hat seine eigenen Vor- und Nachteile und die Entscheidung hängt immer von der konkreten Fallkonstellation ab, weshalb eine pauschale Empfehlung nicht möglich ist.
Sie sollten sich daher frühzeitig fachkundig beraten lassen, denn bereits bei der Beantragung eines Gutachtens können wichtige Aspekte übersehen werden, was im späteren Verlauf der Auseinandersetzung möglicherweise nicht mehr zu korrigieren ist.
Wenn hinreichende Klarheit über das Vorliegen eines Behandlungsfehlers oder einer Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht besteht, sollte über die nächsten Schritte entschieden werden.
In der Regel wird man zunächst die Möglichkeit einer außergerichtlichen Einigung suchen, da dies am wenigsten Zeit kostet und das geringste Kostenrisiko auslöst. Hierbei sollte nicht nur der Vorwurf klar formuliert, sondern auch der geltend gemachte Anspruch näher beziffert werden. In Betracht kommen neben dem Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld auch das Anerkenntnis einer Ersatzpflicht für zukünftige Schäden, wenn bspw. die Behandlung noch nicht abgeschlossen ist oder nicht ausgeschlossen werden kann, dass später weitere Schäden auftreten oder sich ein Zustand verschlimmert, dies kann noch Jahre später der Fall sein. Spätestens an diesem Punkt sollte man aber fachanwaltlichen Rat einholen, denn die Bemessung der zutreffenden Forderungen ist für den Laien eigentlich unmöglich.
Wenn die Vernichtung von Beweisen zB wegen einer bevorstehenden Nachbehandlung droht oder die Behandlung länger zurückliegt und Verjährung eintreten könnte, muss rechtzeitig über die Erhebung einer Klage oder die Einleitung eines gerichtlichen selbständigen Beweisverfahrens zur Sicherung der Ansprüche entschieden werden. Hier spielt auch eine Rolle, ob die Finanzierung hinreichend zB durch eine Rechtsschutzversicherung gesichert ist. Über das Kostenrisiko und die Alternativen im konkreten Einzelfall kann Sie nur ein spezialisierter und erfahrener Rechtsanwalt aufklären. Falsch ist es auf jeden Fall, auf Basis von Urteilen, die sich im Internet oder in der Zeitung finden, eine Entscheidung zu fällen.
Ärzte und Zahnärzte rechnen gegenüber privat versicherten Patienten häufig über private Verrechnungsstellen (zB PVS, mediserv, ZA AG, RVG) ab.
Es handelt sich dabei um nichts anderes als Factoring-Gesellschaften, die Forderungen aufkaufen. Dabei wird also die Forderung des Arztes/Zahnarztes an die „Verrechnungsstelle“ (=Factoring-Unternehmen) verkauft, die dafür den Rechnungsbetrag abzüglich einer Provision sofort an den Arzt bezahlen.
Für den Arzt liegen die Vorteile auf der Hand; er hat kurzfristige Liquidität und muss sich nicht mit dem Forderungsmanagement auseinandersetzen. Zudem kommt er auf diese Weise ganz legal in die Position, dass er im Falle eines Rechtsstreits als Zeuge für seine eigene Leistung aussagen kann.
Wenn es Probleme mit der Rechnung gibt, weil etwa zu hohe Sätze oder falsche Behandlungsziffern abgerechnet werden oder eine Fehlbehandlung vorliegt, bedeutet dies in der Regel eine erhebliche Verschlechterung Position des Patienten. Denn wenn zB eine in Wirklichkeit nicht erbrachte Behandlung abgerechnet wird (was in der Praxis leider nicht selten vorkommt), kann sich das Abrechungsunternehmen einfach auf den Arzt als Zeugen berufen.
Daher sollte man in diesen Fällen genau prüfen, ob die Abtretung überhaupt wirksam erfolgte, denn diese ist an klar definierte Voraussetzungen gebunden.
Abrtretungserklärung
Bedingung für die Zulässigkeit des Forderungsverkaufs ist das zwingend vor Behandlungsbeginn einzuholende Einverständnis des Patienten sowie eine Schweigepflichtentbindungserklärung gegenüber der privaten Abrechnungsstelle.
Diese muss ausdrücklich erfolgen. Eine stillschweigende Zustimmung (zB durch Wartezimmeraushang) genügt ebenso wenig wie ein früheres Hinnehmen einer Abrechnung über die Verrechnungsstelle.
Für die Wirksamkeit einer Abtretungserklärung verlangen die Gericht die das Vorliegen folgender Mindestvoraussetzungen:
- der Patient muss der Abtretung der sich aus der Abrechnung ergebenden Forderung an die Abrechnungsstelle und ggf. zur Weiterabtretung der Forderung durch die Abrechnungsstelle an die refinanzierende Bank ebenso zustimmen wie der Weitergabe der zum Zwecke der Abrechnung jeweils erforderlichen Daten aus der Patientenkarte (Name, Geburtsdatum, Anschrift, Behandlungsdatum, Leistungsziffern, Beträge, Befunde);
- es muss darauf hingewiesen werden, dass im Rahmen einer eventuellen gerichtlichen Auseinandersetzung der Behandler als Zeuge gehört werden kann und
- die Erklärung, dass der Behandler insoweit vollumfänglich von seiner ärztlichen Schweigepflicht entbunden wird.
Eine Einverständniserklärung darf darüber hinaus den Zusatz enthalten, dass diese Zustimmung auch für zukünftige Behandlungen gelten soll.
Neue Rechtslage
Bis zum 24. Mai 2018 musste die Einwilligung gem. § 4a Abs. 1 S. 3 Datenschutzgesetz (BDSG) schriftlich erfolgen. Entscheidend ist das Datum der Behandlung, nicht das Rechnungsdatum. Ohne Unterzeichnung einer schriftlichen Erklärung war die Weitergabe der Abrechnungsdaten an die „Verrrechnungsstellen“ ein klarer Verstoß gegen die ärztliche Schweigepflicht. Darüber hinaus wäre die Abtretung aus diesem Grunde auch nichtig, dh unheilbar unwirksam.
Für Behandlungen ab dem 24. Mai 2018 gilt das neue BDSG. Maßgeblich für die Wirksamkeit von Abtretungserklärungen ist jetzt § 51 BDSG.
Es gibt nun zwar keine ausdrückliche Schriftform mehr, das Gesetz spricht aber davon, dass die Einwilligung nachgewiesen werden können muss. In der Praxis läuft dies also weiterhin darauf hinaus, dass die Einwilligung schriftlich erfolgen muss.
Das neue Datenschutzrecht hat aber einige Verschärfungen eingeführt:
So muss die Erklärung in verständlicher und leicht zugänglicher Sprache und so erfolgen, dass sie von anderen Sachverhalten klar zu unterscheiden ist (§ 51 Abs. 2 BDSG). Befindet sich die Abtretungs- und Schweigepflichtentbindungserklärung beispielsweise auf dem Formular für eine Privatbehandlungsvereinbarung oder einer Kostenschätzung, kann dies zur Unwirksamkeit führen, wenn keine klare (optische) Trennung erfolgt.
Wegen § 51 Abs. 3 S. 3 BDSG muss der Patient über das Widerrufsrecht für seine Erklärung aufgeklärt und auch auf den Verarbeitungszweck hingewiesen werden § 51 Abs. 4 S. 3).
Fazit
Wenn es Probleme wegen unrichtiger Abrechungen gibt oder Einwendungen wegen einer Fehlbehandlung erhoben werden sollen, lohnt sich ein genauer Blick in die Abtretungserklärung. Wenn man keine Kopie erhalten hat, muss der Behandler eine Kopie zur Verfügung stellen (§ 630g BGB), da diese Teil der Behandlungsdokumentation ist.
Die Unwirksamkeit der Abtretungserklärung führt allerdings nicht dazu, dass die Forderung des Arztes damit nicht mehr besteht. Das Arzt/Zahnarzt kann die Rechnungsforderung immer noch selbst geltend machen, sofern dies nicht in der Zwischenzeit verjährt ist.
War die Abtretung unwirksam und es wurden bereits von der Verrechnungsstelle Mahnkosten verlangt oder es wurde sogar ein gerichtliches Mahnverfahren oder eine Klage erhoben, sind Sie nicht mehr verpflichtet, diese Kosten zu erstatten, da für diese keine Anspruchsgrundlage mehr besteht.
Der weitere maßgebliche Unterschied ist, dass der Behandler in diesem Verfahren nicht mehr als Zeuge vernommen werden kann.
Wenn Sie Zweifel haben, ob die Abtretung wirksam ist, sollten Sie prüfen, ob Sie überhaupt eine wirksame Abtretungserklärung unterschrieben haben.
Hier eine Auswahl von Entscheidungen aus den letzten Jahre, die von uns oder Kollegen wegen der ungewollten Verbreitung von Fotos im Internet für die Betroffenen erwirkt wurden:
LG Schweinfurt, Urteil vom 16.01.2018, Az: 11 O 65/17
Geldentschädigung: € 8.000 + Erstattung von Anwaltskosten
LG Köln Urteil vom 25.11.2017 Az: 28 O 176/17
Geldentschädigung: € 30.000 + Erstattung von Anwaltskosten
LG Frankfurt am Main, Urteil vom 20.04.2017, Az: 2-03 O 360/16
Geldentschädigung: € 12.000 + Erstattung von Anwaltskosten
OLG Hamm, Urteil vom 20.02.2017, Az.: 3 U 138/15
Geldentschädigung: € 7.000 + Erstattung von Anwaltskosten
OLG Oldenburg, Urteil vom 11.08.2015, Az: 13 O 25/15
Geldentschädigung: € 15.000 + Erstattung von Anwaltskosten
LG Kiel, Urteil vom 27.04.2006, Az: 4 O 251/05
Geldentschädigung: € 26.000 + Erstattung von Anwaltskosten